Um Bestandsquartiere energetisch zu erneuern, müssen alle stadträumlichen Aspekte gemeinsam und integriert betrachtet werden. Das verbessert nicht nur das Investitionsklima, sondern steigert auch die Wohn- und Standortqualität.
Dieser fachübergreifende Ansatz benötigt sowohl projektorientierte Organisationsmodelle für die Zusammenarbeit der kommunalen Akteurinnen und Akteure als auch Werkzeuge des Wissensmanagements und der Kommunikation. Das gegenseitige Verständnis für die jeweiligen Inhalte und Planungsabläufe zwischen den beteiligten Fachämtern aus den Ressorts Stadtplanung, Hoch- und Tiefbau, Umwelt, Soziales und Gesundheit, Wohnen, technische Infrastruktur und Mobilität, aber auch den Projektpartnerinnen und Projektpartner aus Energie- und Wohnungswirtschaft muss gestärkt und die Zusammenarbeit optimiert werden. Ein erfolgreicher Umsetzungsprozess vor Ort braucht längerfristige Organisationsmodelle als die von raschen Entscheidungen geprägte Phase der Konzepterstellung. Im Folgenden werden Rahmenbedingungen, Modelle und Werkzeuge für die effiziente und schlanke Prozessorganisation in Quartiersprojekten dargestellt. Darüber hinaus geht es auch darum, voneinander zu lernen und einen Austausch zwischen Fachakteurinnen und Fachakteuren der integrierten und energetischen Quartierssanierung aus unterschiedlichen Kommunen zu organisieren.
Projektorientierte Zusammenarbeit auf Quartiersebene
Die kommunale planende Verwaltung ist überwiegend nach Ressorts strukturiert – wie zum Beispiel Stadtplanung, Umwelt und Klima, Soziales und Gesundheit, Verkehrsplanung und Mobilität, etc. – die ihre jeweils gesetzten Ziel im eignen Teilbereich vorantreiben. Für die Quartierssanierung, als informelle Planung mit fachübergreifendem Charakter, empfehlen sich Werkzeuge und Formate des Projektmanagements, die das Erarbeiten und Umsetzen eines Quartierskonzepts als gemeinsames Projekt mit eigens dafür definierten Zielen. Wichtig ist eine möglichst schlanke und effiziente Projektorganisation, die sich individuell an den internen Rahmenbedingungen, Ressourcen oder auch dem Vorwissen der jeweiligen Kommune orientiert.
Aufbauend auf der ersten Zieldefinition der energetischen Quartierssanierung im Kontext der kommunalen Stadtentwicklungsziele kann ein Projektteam "Integrierte Quartierssanierung" gegründet werden. Es ist möglichst interdisziplinär besetzt, mit Fokus auf die Verantwortlichen für Stadtplanung, Umwelt und Klima, Hochbau, Soziales und Gesundheit, Wohnen, Freiraumplanung, technische Infrastruktur sowie Verkehrsplanung und Mobilität. Akteurinnen und Akteure der Energie- und Wohnungswirtschaft werden bereits frühzeitig in das Projektteam eingebunden. Das Kernteam sollte dabei mit ausreichend Ressourcen versehen sein, um die Konzeptentwicklung und Umsetzung langfristig begleiten zu können. Darüber hinaus sollten die Mitglieder von ihren jeweiligen Fachämtern mit einem weitreichenden Mandat ausgestattet sein, damit das Projektteam rasch verbindliche operative Entscheidungen auf Grundlage strategischer Leitplanken treffen kann. Zu den ersten Aufgaben des Projektteams im Prozess gehört die Quartiersauswahl und die fachliche Vorbereitung notwendiger Förderanträge und Ausschreibungsverfahren. Besonders für kleinere Kommunen ist eine externe Begleitung des Projektteams bereits in der Antragsphase empfehlenswert.
Für die strategische Weichenstellung und richtungsweisende Entscheidungen in der Quartiersentwicklung bietet es sich an, eine Steuerungsgruppe mit den relevanten Entscheidungsbefugten aus Kommune und Projektpartnerinnen und Projektpartnern zu schaffen. Die Steuerungsgruppe kommt bedarfsweise zusammen. Insbesondere in kleineren Kommunen kann auch das Kernteam selbst so besetzt sein, dass es die Steuerungsaufgaben übernimmt. In der Konzeptentwicklung sollte die Steuerungsgruppe zur Vorbereitung relevanter Meilensteine zusammenkommen. Beispielhafte Inhalte sind dabei die gemeinsame Zieldefinition zum Auftakt, das Priorisieren von Projekten und die Entscheidung über die Organisation eines Sanierungsmanagements. Sollten sich bereits früh Zielkonflikte zwischen den Akteurinnen und Akteuren zeigen, ist eine externe Moderation der Steuerungstermine sinnvoll.
Auch in informellen Prozessen der Stadtentwicklung wird seitens der planenden Verwaltung zumeist eine aktive Gremienarbeit betrieben – insbesondere dann, wenn für die weitere Umsetzung ein Ratsbeschluss erforderlich ist. Um die beteiligten Akteurinnen und Akteure der Lokalpolitik inhaltlich einzubinden, ist rein die enge zeitliche Taktung offizieller Gremientermine zumeist nicht ausreichend. Workshops in kreativer Arbeitsatmosphäre und Raum für fachliche Impulse aus anderen Quartieren helfen hier, das Verständnis für innovative Maßnahmen und Projekte im Quartier zu schärfen und Fraktionsgrenzen zu überwinden. Informelle Politikbeteiligung bietet sich außerdem an, um mehrere parallele Prozesse mit ihren inhaltlichen Querbezügen darzustellen. Denn meist werden Stadtentwicklungs-, Mobilitäts- und ein Quartierskonzepte zeitgleich entwickelt. In Kommunen mit sehr intensiver Zusammenarbeit zwischen Politik und Verwaltung bietet es sich besonders an, ausgewählte politische Fachvertreterinnen und Fachvertreter sowie sachkundige Bürgerinnen und Bürger in einer Arbeitsgruppe mit den Projektverantwortlichen aus der Verwaltung zu bündeln und in diesem informellen Gremium Empfehlungen für die Projektsteuerung zu erarbeiten.
Bei Neubauvorhaben setzen bereits viele Kommunen auf Gestaltungs- oder Baukulturbeiräte. Diese Gremien sollen baukulturelle und stadtgestalterische Qualitäten weiterentwickeln und sichern. Sie gehören vielerorts mittlerweile zur städtischen Planungskultur. Es ist empfehlenswert, diese auch in Prozesse der Quartiersentwicklung und -sanierung in Bestandsquartieren zu involvieren, insbesondere wenn es sich um Bestände von hohem baukulturellem Wert handelt. Entscheidend für den Erfolg ist dabei, den Gestaltungsbeirat mit einem starken Mandat bei der Erarbeitung der Handlungsempfehlungen auszustatten und diesen frühzeitig einzubinden. Die Gremien selbst bestehen überwiegend aus Expertinnen und Experten aus Verwaltung, Politik und Fachplanung, die projektbezogene Empfehlungen aussprechen. Kleine Kommunen ohne ein solches eigenes Gremium können auch, sofern vorhanden, einen mobilen Gestaltungsbeirat hinzuziehen. Hinweise zu den regionalen Möglichkeiten eines Gestaltungsbeirats kann die Initiative StadtBaukulturNRW geben. Es ist am gewinnbringendsten, das Gremium punktuell einzusetzen und bereits bei der Auswahl des Quartiers und der Vorbereitung der Förderanträge einzubinden.
Das Prinzip der kollegialen Fallberatung: Akteurinnen und Akteure der energetischen Quartierssanierung können die individuellen Fragestellungen ihrer Quartiere in der sogenannten kollegialen Fallberatung einbringen und im Rahmen eines Online-Workshops diskutieren. Der Begriff der kollegialen Fallberatung bezeichnet dabei ein Modell der gemeinsamen Lösungssuche unter beruflich Gleichgestellten – das Prinzip des Beratens auf Augenhöhe ist dabei wichtig und Teil des Konzepts.
Organisationsmodelle des Quartiers- und Sanierungsmanagements
Wenn die energetische Quartierssanierung von der Konzeptentwicklung in die Umsetzung geht, ändern sich auch die fachlichen Anforderungen an die Organisation und die notwendigen Ressourcen. Kompetenzen und Erfahrungen im Projektmanagement, Prozessberatung und Steuerung langfristiger Umsetzungsprozesse treten jetzt in den Vordergrund.
Die Akteurinnen und Akteure des Sanierungsmanagements müssen als Gesicht im Quartier etabliert und mit ihren Angeboten und Leistungen für die Bewohnerinnen und Bewohner sichtbar werden.
Das erfordert eine Struktur und Organisation, die auf das Quartier und die jeweilige Aufgabe bzw. auch seine räumlichen Möglichkeiten zugeschnitten sind.
Das zweistufige KfW-Förderprogramm 432 mit den Programmphasen A (Konzepterstellung) und B (Sanierungsmanagement) ist ein Beispiel für einen Förderzugang, der diese Struktur bereits berücksichtigt. Das Konzept muss auch Aussagen zur Umsetzungsbegleitung vor Ort und zur organisatorischen und fachlichen Verankerung eines Sanierungsmanagements treffen. Der Übergang zu den Aufgaben und dem Charakter des Sanierungsmanagements aus anderen Förderprogrammen (beispielsweise des Programms „Soziale Stadt“) ist dabei fließend. Eine enge Kooperation ist hier sinnvoll, sofern ein Sanierungsmanagement bereits vor Ort tätig ist.
Die Begleitung der Umsetzungsphase lässt sich auch als ein auf die jeweilige Aufgabe zugeschnittenes, externes Sanierungsmanagement einkaufen. Vorteil des Modells ist es, ein erfahrenes Team mit umfangreichen Kompetenzen zusammenstellen zu können. Mit der Aufgabe Sanierungsmanagement vertraute Dienstleisterinnen und Dienstleister sowie Arbeitsgemeinschaften aus Planungsbüros und Kommunikationsfachleuten können auf sich ändernde Rahmenbedingungen in der Umsetzungsphase flexibel reagieren. Nachteil hier ist eine mangelnde Verankerung in der Kommune und im Quartier. Dieses Modell benötigt daher zusätzlich einen festen kommunale Ansprechperson, die das Sanierungsmanagement steuert und in die beteiligten kommunalen Fachämtern vernetzt ist. Weiterer Nachteil ist, dass das Dienstleistermodell ein Wissens- und Kompetenzverlust nach Ablauf der Vertragslaufzeit nach sich ziehen kann. Letzterem sollte durch entsprechende Verstetigungsstrategien und ein gutes Wissensmanagement begegnet werden.
Mit einem Landkreis oder beispielsweise einer regionalen Energieagentur als Trägerin oder Träger lassen sich die Aufgaben und Personalstellen für mehrere Quartiere regional bündeln. Übergeordnete Aufgaben wie Projektmanagement, Öffentlichkeitsarbeit und Fördermittelakquise können mit individuellen, quartiersbezogenen Dienstleistungen zusammengefasst und regional angeboten werden. Dieses Modell kommt insbesondere ländlich geprägten Kommunen zugute, die oftmals über zu geringe finanzielle und Personalressourcen für die Umsetzung der Quartierskonzepte verfügen. Erste regionale Modellprojekte des kreisweiten Sanierungsmanagements sind bereits in Nordrhein-Westfalen und Hessen gestartet.
Insbesondere größere Kommunen haben häufig eigene Stadtentwicklungsgesellschaften für die Projektentwicklung und Umsetzung von kommunalen Bauprojekten. Dabei wird oft zwischen Gesamtstadt und der Entwicklung von Stadtteilen mit besonderen Rahmenbedingungen unterschieden. Somit sollte geprüft werden, ob sich vorhandene Stadtentwicklungsgesellschaften aufgrund ihrer auf Entwicklungsaufgaben ausgerichteten Kompetenzen und Organisation auch für die Begleitung und Umsetzung energetischer Quartierssanierungen eignen, oder ob im Idealfall sogar eine Gesellschaft eigens für diese Aufgabe gegründet werden kann. Ein Beispiel für ein Sanierungsmanagement, bei dem eine Stadtentwicklungsgesellschaft als Trägerin auftritt, ist die Bielefelder Sennestadt GmbH.
Um die im Allgemeinen große Anzahl der Projekte der energetischen Quartierssanierung zu steuern und dabei knappe Ressourcen effizient zu nutzen, wird ein Projektportfoliomanagement empfohlen. Dieses Managementverfahren ermöglicht die Steuerung eines großen Portfolios von Projekten bei wechselnden lokalpolitischen, finanziellen und personellen Rahmenbedingungen. Das Projektportfoliomanagement behält, in Abgrenzung zum Projektmanagement für Einzelprojekte, das Gesamtergebnis aller Projekte der Quartierserneuerung im Blick. Die Akteurinnen und Akteure können mit diesem Managementverfahren unabhängig vom Tagesgeschäft langfristige strategische Ziele verfolgen und gleichzeitig rasch operative, projektorientierte Entscheidungen treffen. Das Projektportfoliomanagement besteht im Allgemeinen aus den folgenden Kernaufgaben.
Das Ideenmanagement umfasst die Generierung, Sammlung und Auswahl geeigneter Ideen für Projekte der energetischen Stadtsanierung. Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen und Verbände werden aktiv beteiligt und durch das Sanierungsmanagement dabei unterstützt, Projektideen zu formulieren und zu konkretisieren.
Die gewünschten Ziele und Qualitäten der Projekte des Portfolios werden beschrieben und deren Wirkung im Hinblick auf die Ziele der energetischen Quartierssanierung bewertet. Prioritäten für Projektabläufe werden festgelegt.
Das Projektportfolio wird im Sinne der strategischen Ziele und Leitbilder gesteuert. Hierzu wird der jeweilige (Zwischen-)Stand der Projekte erfasst, aufbereitet und analysiert, um konkrete Handlungsempfehlungen für die Steuerungsebene zu formulieren.
Die Vernetzung zwischen den Projekten des Projektportfolios wird dargestellt. Methodische und fachliche Informationen für die Arbeit auf der Projektebene werden aufbereitet und über die gemeinsamen Projektmanagementtermine zur Verfügung gestellt, der Austausch zwischen den Projekten wird gefördert.
Das zentrale Werkzeug des Projektportfoliomanagements ist der Projektportfolioplan, der die Gesamtheit aller Projekte und Maßnahmen der Quartierssanierung auflistet und so einen Überblick über den Stand der Projektumsetzung liefert.
Der Portfolioplan dient dazu, Kommunalverwaltung und Politik jederzeit über den Stand der Dinge in der Quartierssanierung zu informieren. Der Plan enthält mindestens folgende Informationen:
Name des Projekts bzw. der Maßnahme
Projektträgerinnen und Projekträger, Kooperationspartnerinnen und Kooperationspartner, beteiligte Dienstleisterinnen und Dienstleister (Unternehmen und Institutionen)
Zielgruppe(n) des Projekts: Wohnungsbaugesellschaften, Energieversorgerinnen und Energieversorger, Einzeleigentümerinnen und Einzeleigentümer, Laienvermieterinnen in und Laienvermieter, Mieterinnen und Mieter, Siedlergemeinschaften, Bauhandwerk und Gewerbe
Projektkosten, aufgeschlüsselt nach Trägerinnen und Träger
Der Projektportfolioplan ermöglich darüber hinaus die Gesamtdarstellung der zeitlichen Abläufe und Meilensteine in den Projekten – für das Einzelprojekt, einzelne Schwerpunkte und das gesamte Projektportfolio. Er wird dabei mit einer geeigneten Projektmanagementsoftware erstellt und gepflegt.
Obwohl die Auswahl einer geeigneten Organisationsform für das eigene Quartier und dessen Rahmenbedingungen eine individuelle Aufgabe der Konzeptentwicklung ist, kann es sich lohnen, sich an bereits erfolgreicher Organisationsmodelle bzw. Best-Practice-Beispielen zu orientieren.